Dienstag, 19. April 2011

on the road again

Nach einem komplett wettkampffreiem Jahr 2010 und langsamem Aufbau von etwas, was im entferntesten an „Form“ erinnert, sollte nun am Sonntag eine Art Comeback erfolgen. Zunächst überwog die Freude, dass ich wieder längere Strecken laufen kann und mir somit die halbwegs geglückte Teilnahme an einem Halbmarathon bevorstand. Aber als ich dann die Startnummer abholte und erst recht am Sonntag selbst kam große Wehmut auf, denn ich wollte auf der eigentlich falschen Strecke starten. Nach 25 Marathons und einem Supermarathon sollte es nun erstmalig die „Kurzstrecke“ sein, irgendwie schon ein ganz komisches Gefühl.
Ich war mir schon ziemlich sicher, die Strecke zu überleben und da der Mensch ja Ziele braucht, fixierte ich für mich auch gleich mal drei.
1. Ankommen, wobei von vornherein klar war: Aufgeben ist keine Option
2. Möglichst unter 2 h bleiben, schon weit anspruchsvoller für mich
3. Vor Fischer-Art bleiben
Dem Leistungsgedanken völlig konträr stand die Form meiner Anreise, ich kam mit dem Fahrrad. Auch ansonsten gab es schon im Vorfeld genügend Argumente, die ich beim Scheitern meiner Mission anführen könnte. Meine Arbeitsstätte hatte eine Einladung zum Spendenlauf erhalten und da die Führung meines Hauses das nicht leisten konnte, erklärte ich mich spontan zur Teilnahme bereit. Für jeden „Prominenten“, und als solcher galt ich an dem Tag, spendierten die Stadtwerke als Hauptsponsor 50 Euro für das Myelin-Projekt. Wenn also der Strom wieder teurer wird, da bin ich auch dran Schuld, weil sie wegen mir halt solche Ausgaben hatten. Also stand ich schon 11:00 Uhr zum ersten Mal am Start und ging mit den anderen Promis und vielen „Normalen“ auf die mörderische 4 km Strecke. Und da versuchte ich schon einmal, ein wenig in Tritt zu kommen. Anschließend wurde im VIP-Bereich ein wenig entspannt. Sehr interessant waren die Reaktionen der Zuschauer. Durch ein gestiftetes T-Shirt war ich zweifelsfrei als Prominenter gekennzeichnet und wenn die Groupies einen da entdeckten, sah man quasi das Gehirn hart arbeiten: „Ein Prominenter, aber wer zum Teufel ist das denn?“
Dann wurden noch die Marathonis bei Abschluss der ersten Runde bejubelt, der Zieleinlauf der ersten drei verfolgt und dann sollte es auch für die Halben auf die Reise gehen. Meinen mitlaufenden Schwager traf ich zwar eine halbe Stunde vor dem Lauf, am Start dann aber leider nicht mehr. Auch meine Laufpartnerin kam nicht zum Treffpunkt und so stellte ich mich schon auf einen einsamen Lauf ein. Ich war dann hocherfreut, dass eben jene Dame noch kurz vor dem Start an meiner Seite auftauchte. Am Anfang war es ein ganz eigenartiger Lauf, denn mein Laufgefühl war völlig daneben.
Vom Gefühl her waren wir auf der Marschroute sub 2 zu schnell, die km-Zeiten sagten aber etwas ganz anderes aus. Das machte allerdings noch nicht so viel aus, denn als einigermaßen erfahrener Läufer wusste ich genau: Am Ende kackt die Ente. Es ist auch immer wieder erstaunlich, wie bergig doch Leipzig ist, denn meist geht es bergauf. In Höhe des Völkerschlachtdenkmals beklagte sich meine Lauffreundin zum ersten Mal, dass ihr kalt wäre und das bei doch ziemlich hohen Außentemperaturen. Meine Versuche, sie von ihrem Zustand abzulenken, schlugen kläglich fehl und so verschlimmerte sich ihr Zustand immer mehr. Auch eine Temporeduzierung brachte nichts und so gab sie mir kurz nach der Zeitmatte den Auftrag, allein zu laufen. Wirklich schweren Herzens stiefelte ich also allein los und setzte unsere Mission als Einzelkämpfer fort. Da wir uns am Start ziemlich weit hinten eingeordnet hatten, waren wir eigentlich permanent am Überholen, das macht schon ein bisschen wie Spaß. An der „Begegnungstrecke“ Lehmann-Straße sah ich meine Partnerin noch einmal, aber leider hatte sich ihr Zustand nicht gebessert.
Nach Überqueren der Lehmann-Straße, da ging es ja erst mal bergab und man konnte es laufen
lassen. Spätestens als dann die 10-er mit auf die Strecke kamen stellte sich doch noch eine Begleitung ein. Ein junger Mann war immer mal leicht vor und dann wieder leicht hinter mir, jedenfalls hatten wir in etwa das gleiche Tempo. Dadurch war auch mein Ehrgeiz geweckt, weil ich den nicht ziehen lassen wollte. 3 km vor dem Ziel schaute ich dann nach langer Zeit wieder einmal auf die Uhr und plötzlich lag das „Traumziel 2 h“ wieder mehr als nur im Bereich des Möglichen, es war schon fast sicher. Zur Sicherheit aber nochmal ziemlich heftig forciert, einen kreuzenden Läufer verflucht und den Rest des Rennens nur noch geflogen. Im Ziel kurz umgedreht und da kam auch schon der junge Mann, der mich freudestrahlend abgeklatscht und sich dann herzlich bei mir bedankt hat. So hatte ich halt doch noch ein gutes Werk vollbracht und selbst mit einer Zeit von 1:56:32 meine Ziele alle erreicht. Es hat großen Spaß gemacht und ich habe wieder Blut geleckt. War allerdings mein Anspruchsdenken schon vor der OP relativ gering, so sind meine Ziele jetzt noch viel bescheidener, der Spaß steht an allererster Stelle. Ach ja, das Ziel 3 hat sich quasi von selbst erledigt, er hat das Ziel nicht erreicht.