Montag, 18. Mai 2009

Als Schluchtensauser unterwegs

Schon vor 2 Jahren wurde im Familienkreis die Idee geboren, den Supermarathon auf dem Rennsteig unter die Füße zu nehmen, wobei mein Schwager der Ideengeber dazu war. Ich war einverstanden und so entschlossen wir beide uns, dieses Vorhaben im Jahre 2009 auch umzusetzen.
Leider stand diese Veranstaltung für uns unter keinem guten Stern, denn mein Schwager zog sich eine langwierige Fußverletzung zu und bei mir sorgte mein Knie dafür, dass ich weder Tempo- noch Bergläufe trainieren konnte. Ich hatte also die besten Vorraussetzungen und entschied mich trotz alledem blauäugig und ohne zu wissen, worauf ich mich einlasse, zwischen Eisenach und Oberhof den Alleinunterhalter (rein auf die Familie bezogen) zu geben. Die Anmeldung, das Buchen eines Hotels und die Bestellung der Fahrkarten war alles kein Problem und so machte ich mich am Freitag vor dem Lauf frohgemut, aber mit einem ziemlich mulmigen Gefühl auf den Weg nach Eisenach.
Im Hotel angemeldet und schon ging es zum Meldebüro auf dem Eisenacher Markt, wo es sehr leer war, ich meine Startnummer in Rekordzeit bekam und auch gleich noch mein Finisher-Shirt ausgehändigt bekam. So etwas verpflichtet und so war ich quasi gezwungen, am nächsten Tag auch die Strecke zu bewältigen.
Ich reihte mich ein in die da noch ziemlich lange Kloßschlange und konnte schließlich meine Portion fassen, wobei ich mein Rotkraut noch kurzfristig gegen einen dritten Kloß tauschen konnte. Die Party im Festzelt habe ich mir dann geschenkt, schließlich musste ich ja beizeiten aus den Federn. Auf dem Weg zum Hotel habe ich dann noch Peter getroffen und hatte da schon so einen Tunnelblick, dass ich ihn erst gar nicht erkannt habe, sorry.
Die Nacht war kurz, denn kurz nach Mitternacht weckte mich ein heftiges Gewitter und ich befürchtete für den Renntag das Schlimmste. Endgültig vorbei war es dann kurz nach 4 Uhr in der Früh, die Henkersmahlzeit wurde vom Hotel kredenzt und der bange Blick war gen Himmel gerichtet. Ein Sportsfreund bemerkte meinen skeptischen Blick und versprach mir trockenes Wetter, womit er tatsächlich Recht behalten sollte.
Kleidertechnisch entschied ich mich für die Variante olauku (oben lang, unten kurz), was wohl ein wenig suboptimal war, denn vor dem Start fror ich doch ziemlich. Am Start erst ein Schwatz mit Dirk, dann kam auch noch Peter hinzu und schon ging es endlich los, wobei ich mich so ziemlich ans Ende gestellt hatte. Kaum aus Eisenach heraus gab es erstmal Stau, der Weg war sehr schmal und von dem nächtlichen Gewitter völlig verschlammt, so dass man schön hintereinander laufen musste und stets aufpassen musste, dass die Füße nicht plötzlich mit dem Kopf die Position tauschen. Als dann die ersten drei Kilometer nach einer knappen halben Stunde passiert waren, schwante mir schon, dass mein „Zeitziel“ von 10 Stunden wohl nur schwer zu erreichen sein wird.
Nach ca. 7 Kilometern war dann endlich der Rennsteig erreicht und der Weg wurde zumindest etwas breiter. Was allerdings die Qualität des Untergrundes angeht, da war ich auf das Kommende irgendwie nicht richtig vorbereitet, denn ich hatte auf überwiegend Waldboden gehofft, was sich allerdings als Trugschluss erwies. Die Wege waren fast alle steinig, zum großen Teil ziemlich ausgewaschen und oftmals standen großen Pfützen auf ihnen, so dass man ständig auf seine Schritte aufpassen musste. Ebene Stellen gibt es so gut wie gar nicht, es geht immer hoch und runter, wovon der Rennsteig wahrscheinlich auch seinen Namen hat, denn entweder rennt man oder man steigt… An den ersten beiden Getränkepunkten gab es dann schönen warmen Tee, nachdem mir das kalte Wasser überhaupt nicht zusagte. Ob es nun die treibende Wirkung des Tee war oder die Tatsache, dass meine Beine irgendwie nie richtig war geworden sind, keine Ahnung, jedenfalls musste ich im 5 km-Abstand meinen Weg markieren. Ich tippe eher auf leichte Unterkühlung, denn nach einiger Zeit musste ich dann auch noch den Mono machen (und/oder Dirk). Das passierte dann leider noch öfter und so kann man schon sagen, den Lauf habe ich echt verkackt.
Aber dieses Problem kam erst später, vorerst konnte ich noch die Arschbacken zusammenkneifen und die erste Verpflegungsstelle auf der Glasbachwiese erreichen. Endlich der erste legendäre Schleim, lecker Heidelbeere, da musste ich doch gleich noch Nachschlag holen und vorsichtig noch eine BB (Butterbemme) hinterhergeschickt, denn mittlerweile hatte ich auch Hunger. Der Inselsberg lag vor uns und der Aufstieg war eine echte Schinderei, denn es hörte einfach nicht auf. Endlich oben angekommen wurde es aber noch viel schlimmer, denn es ging steil bergab und da hatte mein Knie aber entschieden etwas dagegen, so dass ich es noch nicht einmal ansatzweise rollen lassen konnte. Die Bergabtechnik muss wohl eher an ein Hanghuhn erinnert haben, links mit der Ferse aufgesetzt und rechts zur Entlastung mit dem Vorfuß..
Aber unten angekommen wartete wieder Schleim auf uns und diesmal konnte ich auch dem verlockenden Angebot an Fettbemmen nicht widerstehen, die sind echt lecker. Wenige Kilometer später war Kilometer 30 erreicht und ein Läufer neben mir brachte es auf den Punkt: „Jetzt noch ein lockerer Marathon!“ Zwischen Grenz- und Ebertswiese kann man mit viel gutem Willen von einer einigermaßen ebenen Strecke ausgehen und auf eben dieser Ebertswiese war nicht nur die Hälfte erreicht und ich wurde namentlich begrüßt, nein es gab auch Wiener Würstchen. Auch verpflegungstechnisch ist dieser Lauf wohl einmalig, denn solche Sachen habe ich noch nie beim Laufen ausprobiert, sind aber durchaus verträglich. Danach ging es natürlich wieder nach oben und irgendwann war auch die Marathonmarke passiert. Allein war man nie auf der Strecke und ich bin auch mit vielen Läufern unterwegs ins Gespräch gekommen, das ist der Vorteil des langsameren Laufens. Aber nicht nur Läufer kreuzten meinen Weg, auch die Stockenten tummelten sich auf der Strecke und das blieb auch bis Oberhof so, dort war für die Feierabend und für solche Bekloppten wie für mich waren noch exakt 18 Kilometer zu bewältigen. Spätestens hier war mir klar, dass ich die Distanz überstehe. Mein Laufstil hatte sich eingepegelt und die ohnehin kaum messbare Geschwindigkeit wurde nochmals reduziert, sobald das Knie stärker mit mir schimpfte. 10000 Meter hinter Oberhof sollte es letztmalig Schleim geben, aber die Organisatoren wurden Opfer der neuen EU-Richtlinie, die die Bindung an bestimmte Packungsgrößen aufgehoben hat. Der Schleim war nämlich alle, weil die gleiche Packungsanzahl wie immer bestellt wurde, da aber weniger drin war. Naja, Schwamm drüber. Noch 4 Kilometer vor dem Ende wurde mir eine Massage angeboten, im Ziel wäre mir das lieber gewesen, und so nahm ich nur noch einen Becher Köstritzer Schwarzbier mit auf den letzten Abschnitt. Inzwischen war mir klar, dass es nicht mehr unter 10 Stunden geht, aber es war mir auch genauso egal. Im Zieleinlauf war es sehr übersichtlich, aber dadurch musste auch mein Kleiderbeutel nicht lange gesucht werden. Gesucht habe ich allerdings dann erst die Dusche (leer und herrlich warm) und später die Shuttlebusse, denn ich wollte von Oberhof mit dem Zug nach Hause. Dummerweise hält der Bus noch nicht einmal in der Nähe des Bahnhofs und so mussten wir noch knappe 2 Kilometer ziemlich steil bergab zum Bahnhof wandern (meine Knie haben sich nur an den Kopf gegriffen). Aber auch das war endlich geschafft, die Zugverspätung klaglos akzeptiert (zum Glück lagen die Tamilen erst einen Tag später auf den Gleisen) und schließlich kurz nach 21.00 Uhr geschafft aber glücklich zu Hause.
Fazit: Zum 25. Mal stand ich am Start eines Marathons bzw. diesmal mehr (leider 1x dnf), vielleicht zum letzten Mal überhaupt. In die riesengroße Begeisterung über den Rennsteiglauf kann ich nicht einstimmen, obwohl es an der Organisation ausdrücklich nichts zu meckern gibt. Sollte ich weiterlaufen können, den Rennsteig werde ich mir nicht noch einmal antun. Landschaftlich und auch vom Lauf selbst her hat MIR beispielsweise der Brocken-Marathon viel besser gefallen, aber die Geschmäcker sind halt sehr verschieden.
Danke fürs Lesen und sorry für die Länge, aber so ein Supermarathon dauert halt....