Mittwoch, 4. Juni 2008

Schwedenhappen aus Leipzig

Mein erster Auslandsmarathon (wenn man mal von dem in München absieht) sollte mich nach Stockholm führen und von diesem Lauf sollen ja angeblich viele Läufer schwärmen. Gleich vornweg, ich kann die Begeisterung für den Lauf nur bedingt teilen, für die Stadt als solche aber schon.
Es gibt sicherlich eine ganze Reihe von Besonderheiten beim Stockholm-Marathon und eine davon ist, dass man sich spätestens am Tag nach dem Lauf schon für den nächsten anmelden kann. Spontan fällt mir kein zweiter Lauf ein, bei dem das auch der Fall wäre.
Natürlich ist der Marathon nicht so ganz billig, aber bei einem Auslandsmarathon sind es eher die Kollateral-Kosten, die den Preis nach oben treiben:
- Marathon: 75 Euro
- Flug (Germanwings ab Schönefeld): 200 Euro
- Parkplatz in Schönefeld: 19 Euro
- Hotel (4 Sterne, taktisch günstig gelegen): 600 Euro (4 Nächte)
- Transfer Stockholm Flughafen- City und zurück: ca. 20 Euro
- Stadtrundfahrt Stockholm: ca. 35 Euro
- Zusätzliche Kosten (Essen, Einrittsgelder, etc): ca. 300 Euro
Also insgesamt ist da doch der Silbersee-Lauf etwas preiswerter.
Stockholm ist aber auf jeden Fall eine Reise wert, ein wirklich unvergleichliches Flair umgibt diese Stadt und die Wassernähe (1/3 der Stadtfläche) ist natürlich ein Traum. Als preiswert allerdings kann man Stockholm nicht bezeichnen und es war weitaus schwerer als erwartet, eine Gaststätte zu finden, die das Reisebudget nicht extrem in die Höhe treibt. Und so haben wir in diesen 4 Tagen zweimal beim Italiener und zweimal beim Spanier gesessen und gegessen.
OK, aber es soll ja um den Lauf gehen.
Als wir in Stockholm gelandet waren, war mein erster auch laut geäußerter Eindruck: Welch flaches Land…., das sollte sich als fundamentaler Blödsinn herausstellen.
Unmittelbar nach dem Check-In ging es zur Marathon-Messe am altehrwürdigen Olympia-Stadion von 1912. Obwohl die Läuferzahl auf 18000 limitiert war, ist diese Messe nicht wesentlich größer als die beim Leipzig-Marathon und das war eigentlich schon die erste Enttäuschung. Es gab einen exorbitant großen Kleiderbeutel mit völlig konträr dazu befindlichem Inhalt, der da aus einer Umhängetasche (IKEA?), einem Basecap, einem Pflaster, einem Schwamm und jeder Menge Werbung bestand. Letztere meist in Schwedisch, aber auch teilweise in englisch. Die Startnummernausgabe verlief völlig problemlos und mir wurde noch in lupenreinem deutsch von einer asiatisch aussehenden Schwedin alles Gute gewünscht.
Die am Vortag stattfindende Nudelparty haben wir uns geschenkt, obwohl das Ganze sicher sehr interessant gewesen wäre, denn am gleichen Tag und im selben Zeitrahmen fand im Olympiastadion ein KISS-Konzert statt.
Der Start des Marathon sollte 14:00 Uhr erfolgen, was einen als Tourist vor die Frage stellt, wie man bis dahin die Zeit totschlagen soll. Ein spätes Frühstück wurde fabriziert, dann folgte noch ein Abstecher in den nächsten Shop, um Vorstartverpflegung und ebensolche fürs Begleitpersonal zu bunkern. Noch eine knappe Stunde auf dem Hotelbett ausgestreckt und es ging endlich los zum Start.
Wir (also mein Schwager und ich) wollten den Lauf gemeinsam bestreiten, uns schloss sich dann noch eine befreundete Läuferin an und da mein Schwager keine Bestzeit angegeben hatte, mussten wir wohl oder übel aus dem letzten Block (von insgesamt 6) starten.

Die Sonne knallte unbarmherzig auf den Asphalt, die Stimmung unter den Läufern war aber mindestens genauso sonnig. Wir Deutsche stellten mit knapp 1000 Läufern das drittgrößte Kontingent und alle Nationen wurden in der Landessprache begrüßt, sehr nett. Als auf die Frage des schwedischen Roman Knoblauch nach den Debütanten um uns herum nahezu alle Finger in die Höhe gingen, ahnten wir schon fast, was auf der Strecke auf uns zukommen sollte.
Ungefähr 8 Minuten nach dem Startschuss ging es dann auch für uns los und vom Olympiastadion weg führte die Strecke auf eine sehr schön breite Straße, so dass das Überholen, was wir vom Start bis ins Ziel praktizieren sollten, noch einigermaßen funktionierte. Eine erste Begegnung mit unseren Frauen klappte reibungslos, aber nach ca. 2 Kilometern wurde aus der breiten Straße (3 Spuren in jede Richtung) eine verdammt schmale (nur noch eine Spur je Richtung), was logischerweise zum Stau führte. Die Läufer irrten teilweise kreuz und quer über die Straße und einer dieser Verirrten trat mir dabei voll in die Wade. Glücklicherweise konnte ich mir den Schmerz aber herauslaufen.
Die erste Getränkestation haben wir verpasst, Vorwegweiser gab es nämlich nicht. Die Temperaturen lagen im Bereich von 25 bis 30 °C und da kann einen so ein Missgeschick schon nerven.
Die gefühlte Geschwindigkeit lag deutlich über der tatsächlichen, was natürlich am ständigen Hin und Her lag, verbunden mit heftigen Tempowechseln, was einem ordentlichen Ergebnis ja sehr abträglich sein soll.
Getränkestation 2 wurde dann ausgemacht und wie immer bei solchen Veranstaltungen stürzen die meisten Läufer auf den allerersten Tisch. Wir suchten uns immer einen ziemlich am Ende heraus, aber auch da musste man zwingend stoppen. Getränke (furchtbar dünnes Iso und Wasser) gab es sehr viel, so dass eine Dehydrierung nicht zu befürchten war.
Geplant war ein 6-er Schnitt, aber durch das ständige Gehüpfe lagen wir am Anfang etwas außerhalb dieses Plans, wurden aber leicht schneller, denn so ein wenig lichtete sich das Feld, aber wirklich nur wenig. Da 2 Runden zu laufen waren, die allerdings nicht ganz identisch sind, wollten wir einer Überrundung entgehen, was uns auch gelungen ist, denn der Sieger benötigte immerhin auch 2:16 für die furchtbar wellige Strecke.
Kurz nach der Halbmarathon-Marke merkte ich, dass mein Schwager leicht aber stetig beschleunigte. Gleichzeitig merkte ich aber auch, dass ich dazu keinerlei Lust hatte und so fungierte ich als Bremse. Endlich gab es etwas zu essen, schon fast vergorene Bananen wurden von netten Helferinnen mit der Hand aus Eimern (?) gereicht, sehr gewöhnungsbedürftig, aber ich hatte Hunger. Bei der nächsten Getränkestation brauchte ich dann einen Becher Wasser, um meine klebenden Hände wieder einigermaßen sauber zu bekommen. Bananen sollte es dann nur noch ein einziges Mal geben, nach meinem Geschmack etwas wenig. Auch die Gemüsebrühe bei km 32 war eine völlig neue Erfahrung für mich, die ich aber unbeschadet überstanden habe. Der gewaltigste Anstieg (schon zum zweiten Mal) auf die Västerbröm-Brücke tat in der zweiten Runde schon deutlich mehr weh als in der ersten, aber trotz der Strapazen überwog doch die Vorfreude, denn unten wartete eine Samba-Band mit leicht bekleideten Tänzerinnen. Und schließlich läuft ja das Auge mit….
Auf den letzten Kilometern übernahm ich dann wieder das Ruder in unserer 2-Mann-LG und endlich war es geschafft, wir liefen ins altehrwürdige Olympiastadion (1912) von Stockholm ein. Unsere Frauen wurden gesichtet und wir durchbrachen erhobenen Hauptes und lächelnd das Ziel. Eine ziemlich schwere Medaille wurde uns in die Hand gedrückt, leider ohne Band. Aus dem Stadion raus gab es für jeden eine Flasche Wasser, dann wurden uns die Laufchips abgenommen (es gab prinzipiell nur Leihchips) und wir bekamen ein T-Shirt und einen Beutel mit Verpflegung. Im Zielbereich selber gab es Wasser, Iso und Bier, sowie Würstchen.
Zwei Bier (2,5 %) später wankten wir dann aus dem Nach-Ziel-Bereich und unseren Frauen entgegen.
Bilanz: sehr gleichmäßig durchgelaufen, über 42 km nur überholt, mit 4:12:49 fast exakt 6-er Schnitt
Angetreten sind 14680 Läufer, durchgekommen 13542, wir liegen auf Platz 5902 bzw. 5903 (Frauen mit eingerechnet)